Das Tschechische Zentrum in der Wiener Herrengasse ist derzeit Schauplatz einer Foto-Ausstellung – gezeigt werden Werke des gebürtigen Prager Künstlers Pavel Baňka, Jahrgang 1941, einem der bedeutendsten tschechischen Fotografen der Gegenwart.
Baňka, der die Vernissage in Wien gemeinsam mit seiner Frau Jindra Viková, einer bildenden Künstlerin, besuchte, ist Autodidakt und seit den 1960er Jahren künstlerisch aktiv. Das Tschechische Zentrum stellt eine Werkauswahl unter dem Titel „Stille Rituale“ in den Fokus, die die unterschiedlichen Facetten des Fotografen eindrücklich nachvollziehbar machen. Kuratorin Anežka Jabůrková hat hierbei eine Zweiteilung vorgenommen: Die Räumlichkeiten im unteren Teil der Ausstellungsfläche setzen einen Schwerpunkt auf das persönliche Beziehungsgeflecht Baňkas, Fotos aus der Familiengeschichte – Baňka in jüngeren Jahren mit seiner späteren Gattin, die junge Familie mit der kleinen Tochter, ein Blick aus dem Fenster des Wohnhauses – erlauben private Einblicke und zeigen Baňkas Leben gleichsam als Mosaik in schwarz-weißer Ausführung.
Der zweite Teil der Schau, im oberen Bereich der Räumlichkeiten angesiedelt, hinterfragt den Vorgang von schöpferischer Arbeit an sich und deren zyklischen Charakter. „Wir wollen unsere eigenen Räume schaffen, reale bis irreale. Denn wo sonst entsteht Freude, wenn nicht dort, wo nichts einfach beschrieben und deshalb ein Erlebnis aus Neugier ermöglicht wird, das seine eigenen Lösungen anbietet (…)“, gibt Pavel Baňka den Besuchern sein Motto mit auf den Weg.
Mittels Perspektivenwechsel haucht Baňka seinen Motiven neue Relevanz ein, wenn er im Lauf der Jahre immer wieder auf sie zurückkommt. Auch die Betrachter werden gefordert, ihre Vorstellungskraft zu erweitern, wenn die großformatigen Fotografien neue Dimensionen menschlicher Wahrnehmung eröffnen. Das Bild Position #IX aus dem Jahr 1982 (Diasec) etwa wirft die Frage nach der Größenordnung eines Raumes auf: Zwei Glasplatten, eine kürzere, breitere sowie eine längere, schmälere, an eine Wand gelehnt, bilden den Mittelpunkt des Fotos. Ein Schatten von oben lässt die Ausmaße der Örtlichkeit nur vage erscheinen, dazu passt ebenso die verzerrte Reflexion des Lichts – auch bei längerer Betrachtung erschließt sich die wahre Dimension der Objekte nur schwerlich.
In der Reihe Infinity, die im Rahmen von USA-Besuchen ab dem Jahr 1997 ihren Anfang nahm, porträtiert Pavel Baňka Landschaften und versucht dabei, deren Unendlichkeit einzufangen. Wiesen, Bäume und Wolken treten schemenhaft hervor, der ländliche Raum scheint tatsächlich von einer Grenzenlosigkeit geprägt zu sein. Der Prozess der Postproduktion nimmt bei Baňka keinen großen Stellenwert ein, vielmehr entsteht das Kunstwerk nahezu ausschließlich im Moment der Aufnahme. Wer sich näher mit Pavel Baňkas „Stillen Ritualen“ auseinandersetzen möchte, dem sei ein Besuch im Tschechischen Zentrum wärmstens ans Herz gelegt.
Tschechisches Zentrum Wien: Ausstellung Pavel Baňka „Stille Rituale“, 1., Herrengasse 17, zu sehen (unter Einhaltung der aktuellen gesetzlichen Bestimmungen zur Eindämmung des Corona-Virus) bis 27. November 2020
Weitere Informationen: wien.czechcentres.cz
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