Vier liebenswerte Charaktere, pfiffige Dialoge und ein zeitgemäßes Thema: Das sind die feinen Ingredienzen, die Markus Köbelis charmante Komödie „Like You“ ausmachen, die in der Freien Bühne Wieden ihre Uraufführung feierte. Köbeli, geboren 1956 in Bern, hat sich in seinem Stück mit der Partnersuche in der digitalen Welt auseinandergesetzt. Beinahe jedes zweite Paar lernt sich mittlerweile über Online-Plattformen kennen, im September dieses Jahres feierte die Online-Dating-App Tinder ihren zehnten Geburtstag.
Und so trifft die Floristin Karla auf Richard, einen ihr unbekannten Lehrer mit Burn-Out. Im Kaffeehaus präsentiert sie, auf Anraten ihrer Schwester, ihrem Gegenüber gleich einen ganzen Fragenkatalog: Ob er Tiere mag oder gerne ein Glas Wein zum Essen trinkt? Und ob er Vorhänge in seiner Wohnung hat? Wenig erstaunlich, dass Richard verwundert reagiert und Romantik gar nicht erst aufkommt. Doch Karla findet in ihrer Schwester Sabine, einer Psychotherapeutin, eine geduldige Zuhörerin nach dem Treffen, ähnlich wie Richard in seinem Kumpel Paul, seines Zeichens Schriftsteller und Taxifahrer. Köbeli verwebt sehr geschickt die Lebensgeschichten der vier unterschiedlichen Persönlichkeiten und überrascht das Publikum mit zahlreichen Wendungen.
Helmuth Fuschl hat Köbelis Komödie mit nachdenklich stimmenden, aber heiteren Grundtönen inszeniert. Im viergeteilten Bühnenbild mit Karlas Schlafzimmer, Sabines Praxis, Richards Wohnküche sowie einem Café, das Siegbert Zivny ideal umgesetzt hat, agiert das Ensemble in Kostümen von Barbara Langbein – ausschließlich in Zweierszenen – lebensnah und mit großer Freude am Spielen.
Michaela Ehrenstein mimt die verunsicherte Floristin Karla, deren Selbstvertrauen im Verlauf der Handlung stetig wächst, mit liebenswertem Charme. An Karlas Seite steht ihre Schwester Sabine, die als Psychotherapeutin den Dingen gerne auf den Grund geht, jedoch selbst massive Probleme hat, die sie niemandem offenbaren möchte. Felicitas Lukas verleiht ihrer Figur sehr überzeugend ernsthafte, aber auch fürsorgliche Züge ihrer Schwester gegenüber. Robert Ritter zeigt als ausgebrannter Lehrer Richard, der mittels App auf Partnersuche geht und dabei Erstaunliches erlebt, bravourös eine verletzliche Seite, die er zwar seiner Therapeutin Sabine, jedoch nicht seiner Zufallsbekanntschaft Karla zeigt. Last but not least glänzt Boris Popovic als taxifahrender Schriftsteller Paul, der sich im Netz als Arzt namens Etienne ausgibt, obwohl er gerade einmal ein Semester Medizin studiert hat, weil er glaubt, bei der Damenwelt damit Eindruck schinden zu können.
Fazit: „Like You“ präsentiert sich als warmherzige Komödie mit Tiefgang, deren Charaktere erst lernen müssen, zwischen Sein und Schein, zwischen echten Gefühlen und Flunkereien zu unterscheiden und in einer Welt der rationalisierten Partnerwahl zurechtzukommen. „Man soll die Träume nicht zu klein machen, sonst sind es keine Träume mehr“, meint Karla in Hinblick auf ihr Leben. Wer in Erfahrung bringen möchte, ob es den vier Individualisten gelingt, über ihren Schatten zu springen, dem sei diese Produktion wärmstens ans Herz gelegt!
„Like You“: Gespielt wird bis 28. Oktober 2022 in der Freien Bühne Wieden (4., Wiedner Hauptstraße 60b), Beginn jeweils: 19.30 Uhr
Weitere Informationen: www.freiebuehnewieden.at