Foto: Robert Peres

„Die Niere“ im Theater Center Forum: Liebe Not mit einem Entgiftungsorgan

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Neue Bühne Wien im Theater Center Forum: Hubert Wolf, Marcus Strahl, Leila Strahl und Marion Rottenhofer in „Die Niere“

Mit einem großen Wurf startet die Neue Bühne Wien ins neue Jahr: Intendant Marcus Strahl setzt dabei auf ein Werk des viel und gern gespielten Vorarlberger Schriftstellers Stefan Vögel (geboren 1969 in Bludenz). In „Die Niere“ (uraufgeführt 2018), ab 16. Jänner im Theater Center Forum zu sehen, seziert der Autor zwischenmenschliche Beziehungsgeflechte und hinterfragt die Gültigkeit von scheinbar unverbrüchlichen Verhaltensnormen.

Kathrin, Pilates-Trainerin und Ende 40, erhält nach einer Vorsorgeuntersuchung die Diagnose Nierensuffizienz. Ehestmöglich benötigt sie nun ein neues Organ – idealerweise von einem Lebendspender aus der eigenen Familie. Da käme auch sogleich Arnold, ihr Ehemann und erfolgreicher Architekt, ins Spiel, der die gleiche Blutgruppe hat wie sie. Doch seine verhaltene Reaktion auf die Frage, ob er zu einer Nierenspende bereit wäre, sorgt für Unmut bei Kathrin. Überhaupt kreisen seine Gedanken vorrangig um die Eröffnung seines neuesten Bauwerks, eines riesigen Towers in Paris, dessen Animationsvideo er stolz im Wohnzimmer präsentiert. Mitten in die angespannte Situation geraten Diana und Götz, langjährige Freunde von Kathrin und Arnold, die zum Essen eingeladen sind. Und es scheint unvermeidlich, dass das Thema des Tages aufs Tapet kommt: Doch zur großen Überraschung aller Anwesenden bietet Götz, sofort und unvermutet, Kathrin eine seiner Nieren an. Dieses Vorhaben ruft wiederum seine Ehefrau Diana auf den Plan, die die Meinung vertritt, dass eine so folgenschwere Entscheidung nicht übers Knie gebrochen werden sollte. Was dann kommt, ist unvermeidlich: Eine Gewitterwolke zieht über dem Freundeskreis auf, und zu allem Überdruss wird die eine oder andere Affäre ruchbar…

Wendungsreich mit feinen Pointen

Stefan Vögels grandiose Dialoge setzt Regisseur Reinhard Hauser gekonnt und flott, aber nie überdreht in Szene. Die vier Akteure spielen sich gegenseitig meisterhaft im stylishen Wohnzimmer von Kathrin und Arnold (Bühne: Martin Gesslbauer, Kostüme: Petra Teufelsbauer) die Pointen zu und ziehen dabei alle Register. Sehr greifbar wirken die Charaktere dabei, die Hauser mit seinem Ensemble geschaffen hat.

Marion Rottenhofer verkörpert herrlich eine höchst irritierte Kathrin, die ob der Unschlüssigkeit ihres Ehegesponses in kühlen Sarkasmus verfällt. Hubert Wolf spielt überzeugend den unentschlossenen Arnold, der mit der Erwartungshaltung seiner Gattin überfordert ist und aus seinem Herzen keine Mördergrube macht, schließlich ist eine Lebendspende ein gröberer chirurgischer Eingriff. Dieser ist auch noch mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden, worüber Diana (großartig: Leila Strahl), die Apothekerin, die Runde ganz nüchtern aufklärt. Darüber hinaus möchte sie keinesfalls, dass sich ihr Gatte kurzerhand auf dieses medizinische Experiment einlässt. Marcus Strahl wiederum verkörpert eindrucksvoll Götz, den Freund fürs Leben, der sofort loyal in die Bresche springt, um Kathrin zu helfen.

Das an sich vergnügliche Stück wirft Fragen auf, die Gesprächsstoff für die Pause liefern und dabei dem ernsten Thema durchaus gerecht werden. Ist es selbstverständlich, seinem Partner ein Organ zu spenden, wenn man damit selbst ein gesundheitliches Wagnis eingeht? Oder ist gesunder Egoismus in dieser Situation erlaubt? Und wie weit gehen Altruismus und gegenseitiges Vertrauen, wenn es wirklich darauf ankommt?

Einmal mehr widmet sich die Neue Bühne Wien einem Stück Unterhaltungstheater, das – wendungsreich, mit feinen Pointen – auch ein wenig zum Nachdenken anregt.
Fazit: Unbedingt anschauen!

„Die Niere“ von Stefan Vögel: 16. Jänner bis 3. Februar 2024 im Theater Center Forum (Forum I), Porzellangasse 50, 1090 Wien, Beginn jeweils: 19.30 Uhr.

Weitere Informationen: www.theatercenterforum.com

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