Vienna Theatre Project The P Word

Vienna Theatre Project im Theater Drachengasse: Liebe – und die Wiederentdeckung der eigenen Wurzeln

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Vienna Theatre Project The P Word Foto: Ine&Thomas Photography
Vienna Theatre Project im Theater Drachengasse: „The P Word“ mit Raj Garcha (l.) und Diljohn Singh (Foto: Ine & Thomas Photography)

Es ist eine Zufallsbegegnung in einer Diskothek: Die Wege von Bilal, der lieber Billy genannt werden möchte, und Zafar, der aus Pakistan nach Großbritannien geflüchtet ist, kreuzen einander. Beide
landen in Billys Wohnung, wo dieser am Morgen danach einen Filmriss hat – Zafar hat ihn, in
betrunkenem Zustand, nach Hause gebracht und sogar ein Frühstück zubereitet.

Zu diesem Zeitpunkt im Stück hat das Publikum die beiden Charaktere bereits ausführlich kennengelernt: Getrennt voneinander, auf derselben dunklen Bühne, erzählen Billy und Zafar abwechselnd in Monologen ihre Lebensgeschichte. Billy, als Kind pakistanischer Eltern in Großbritannien geboren, wurde schon auf
dem Schulhof gemobbt und hat seine Wurzeln weitestgehend gekappt. Nie würde er deshalb auch mit pakistanischen Männern anbandeln. Zafar ist mit dem Reisepass seines Bruders illegal nach Großbritannien gekommen und hat dort um Asyl angesucht, nachdem sein Partner in Pakistan getötet wurde. Erfahrungen mit Homophobie und Diskriminierung haben beide auf mannigfaltige Weise gemacht.

Das packende neue Stück aus der Feder von Waleed Akhtar, „The P Word“, hat Joanna Godwin-Seidl
mit ihrem Vienna Theatre Project für die kleine Bühne des Bar & Co. im Theater Drachengasse in
Szene gesetzt. „The P Word“ („P“ steht in Großbritannien für „Paki“, eine abwertend
verwendete Bezeichnung für Menschen pakistanischer Abstammung) ist sein jüngstes Werk, das von
Regisseurin Godwin-Seidl mit besonderem Geschick für Dramaturgie und Ausstattungselemente
inszeniert wurde. Das Publikum lernt die beiden Charaktere kennen, lange bevor die beiden
aufeinandertreffen. Sehr geschickt trennt Godwin-Seidl die dunkle Bühne unsichtbar in zwei Räume:
der eine, Billy, fitnessbesessen, spaziert mit dem Smartphone in der Hand durch die Gegend (witziger
Regieeinfall: auf einem Laufband gehend), während sich der andere in seiner Wohnung der traditionellen Phulkari-Stickerei widmet.

Mühseliger Kampf gegen Traumata

Fulminant agieren die beiden Darsteller in ihren Rollen: Raj Garcha als selbstironischer Billy, der im Verlauf der Handlung durch die Bemühung Zafars seine Wurzeln wiederentdeckt, und Diljohn Singh als Zafar, der mühselig gegen seine Traumata ankämpft. Gute 90 Minuten begleitet das Publikum die beiden Charaktere auf ihrem Weg des Kennenlernens und dem Knüpfen ihrer zarten Bande – am Strand, im Kino, zu Hause. Keine Sekunde verliert die gelungene Inszenierung ihre Spannung. Großartig: Visuals (Gernot Ottowitz), von der Londoner Großstadtatmosphäre bis zur Meeresgischt, die die Regisseurin an die Seitenwände des Theaterraums projizieren lässt, ziehen das Publikum mitten in die Handlung hinein.

Die Ereignisse spitzen sich zu, als Zafar abgeschoben werden soll. Mehr soll an dieser Stelle aber nicht verraten werden! Sehr eindringlich gestaltet sich der Schluss des Stücks, mit dem Regisseurin Godwin-Seidl das Publikum mittels Ton-Collage von Dave Moskin konfrontiert. Das Vienna Theatre Project zeigt mit „The P Word“ einmal mehr, wie mitreißend heutiges Theater mit gesellschaftlichem Anliegen sein kann. Standing Ovations bei der Premiere!

Waleed Akhtar: „The P Word“, eine Produktion von Vienna Theatre Project, bis 9. Dezember 2023 (Di-Sa), im Theater Drachengasse (1., Drachengasse 2, Beginn: jeweils 20 Uhr)

Weitere Informationen: www.viennatheatreproject.com, Karten: www.drachengasse.at

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