Das Ensemble TheaterArche plant für das kommende Jahr, ein Großprojekt auf die Bühne zu stellen: Franzobels Roman „Das Floß der Medusa“ soll in einer dramatisierten Fassung im Frühjahr 2018 in einem namhaften Wiener Theater zu sehen sein. Noch bis 15. Juli läuft eine Crowdfunding-Aktion, die die erste Teilfinanzierung des Projekts darstellt. Die KULTUR-SCHATULLE sprach mit Jakub Kavin über seine Begeisterung für Franzobels Meisterwerk, das Konzept zur geplanten Großproduktion und den neuen Spielort in der Wiener Leopoldstadt, das Theater Delphin.
KULTUR-SCHATULLE: Was macht für Sie die Faszination an Franzobels Roman „Das Floß der Medusa“ aus, dass Sie eine dramatisierte Version auf die Bühne bringen wollen?
Jakub Kavin, Mitbegründer TheaterArche: „Das Floß der Medusa“ entwickelt eine ungeheure Sogkraft. Die Charaktere sind so lebendig geschildert, dass man unweigerlich von den Einzelschicksalen gefesselt wird.
Franzobel hat eine historisch belegte Geschichte, die vor 200 Jahren in Frankreich ihren Ausgangspunkt hatte, als Romanvorlage gewählt. Große Kunst ist – egal, ob bewusst oder unbewusst – immer eine Reflexion auf den Zustand der heutigen Gesellschaft, auf die aktuelle Lebenssituation, in der wir uns befinden.
„Das Floß der Medusa“ ist ein zeitloses Meisterwerk, das auch in hundert Jahren noch seine LeserInnen finden wird. Gleichzeitig ist dieses Floß ein Mikrokosmos, der den heutigen Zustand der Welt perfekt abbildet und komprimiert. Dieser Spagat aus Zeitlosigkeit und Aktualität, der Franzobel hier gelungen ist, ist eine rare Qualität, und als Theatermacher lechzt man danach, solch einen Stoff in die Hände zu bekommen und sich daran abzuarbeiten.
Die TheaterArche ist ein Ensemble, das die Vielfalt und Diversität sucht. Ein Roman der es schafft, ein Abbild der Welt auf einem Floß unterzubringen, so ein Roman ist die bestmögliche Vorlage für ein Ensemble, das sich in seiner Vielfalt nicht weniger vornimmt, als ein Spiegelbild der Gesellschaft zu sein.
Die TheaterArche möchte das Projekt mittels einer Crowdfunding-Aktion finanzieren. Rund zwei Drittel der angestrebten 15.000 Euro wurden seitens der Unterstützer bereits zugesagt. (Stand: 18. Juni 2017). Diese dürfen sich – je nach Höhe des Beitrags – über ermäßigte Eintrittskarten, Probenbesuche, Wohnzimmerlesungen oder Schauspieltrainings freuen. Offenbar kommt das Projekt schon sehr gut beim Publikum an?
Das Crowdfunding kann nur ein Teil der Finanzierung sein. Das kalkulierte Budget sieht einen Finanzierungsmix aus öffentlichen Geldern, Sponsoren und privaten UnterstützerInnen vor.
Grundsätzlich ist es aber tatsächlich so, wie Sie sagen: Das Projekt zieht durchaus eine Aufmerksamkeit auf sich, und meine geringste Sorge bei dem ganzen Projekt ist das Publikumsinteresse. Die Finanzierung ist allerdings ein Drahtseilakt, und ich hoffe sehr, dass sich bis 15. Juli noch zahlreiche weitere UnterstützerInnen für das Projekt finden. Jeder Euro hilft und erhöht die Chancen, dass wir „Das Floß der Medusa“ im Frühjahr 2018 auch tatsächlich umsetzen können.
Sie planen eine Großproduktion mit rund 30 Mitwirkenden. Was können Sie schon über die Inszenierung verraten?
Im Gegensatz zu Franzobels Roman werden auf der theatralen Medusa nicht Figuren aus dem Frankreich des 19. Jahrhunderts einschiffen, sondern „echte WienerInnen“ aus dem Wien des 21. Jahrhunderts in all ihrer Vielfalt, Buntheit und Diversität.
Das Ensemble wird zum einen Teil aus 15 SchauspielerInnen bestehen. Diese werden die Hauptfiguren des Stücks verkörpern. Dazu kommen zirka 15 TänzerInnen, PerformerInnen und MusikerInnen. Zum einen werden diese punktuell in kleinere, teilweise nonverbale Rollen schlüpfen, zum anderen werden sie in großflächig choreographierten Sequenzen die Atmosphäre in der jeweiligen Situation herstellen. Alle DarstellerInnen sind während des gesamten Stücks – inklusive der Pause – auf der Bühne. Es gibt kein Entrinnen.
Die Inszenierung wird genährt aus einer theatralen Laborarbeit, die die Erforschung des Menschen im Ausnahmezustand zum Thema hat. Es entsteht ein Wechselspiel zwischen hochintensivem Physical Theatre einerseits und andererseits einem in seiner Ästhetik und Authentizität am Filmgenre orientierten Sprechtheaterschauspiel.
Einige choreographierten Sequenzen werden unterlegt mit projizierten Zeichnungen von Bianca Tschaikner, die den Text in seiner Radikalität und Wucht widerspiegeln. Die Zeichnungen werden vor Ort während der Vorstellung entstehen. Somit wird auch die Ausdrucksweise der Malerei bedient und ein Bogen zum Ausgangspunkt von Franzobels Roman, nämlich Gericaults Meisterwerk, gespannt.
Wann und wo wird die Produktion zu sehen sein?
Die Premiere wird vor dem 1. Juni 2018 stattfinden. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bedanken beim Zsolnay Verlag und beim Thomas Sessler Verlag und natürlich bei Franzobel. Es ist alles andere als selbstverständlich, dass eine freie Gruppe die Bearbeitung so eines von der Kritik gefeierten Bestsellers überantwortet bekommt. Ich freu mich sehr über diesen Vertrauensvorschuss und versuche momentan auch alles in die Waagschale zu werfen, um das Projekt auch tatsächlich umsetzen zu können, denn zum Beispiel der Spielort ist noch ungewiss. Ich hoffe sehr, ein namhaftes Wiener Theater als Koproduktionspartner gewinnen zu können, doch die Antwort steht zur Zeit noch aus und das Zeitfenster ist natürlich recht knapp bemessen.
Die TheaterArche wird ab Juli das Theater Delphin in der Leopoldstadt bespielen. Im September hat bereits die erste Produktion Premiere, „Das Schloss“ nach Franz Kafka. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Das Theater Delphin setzt sich mit aktuellen, persönlichen und gesellschaftskritischen Themen auseinander. Sie versuchen, Inklusion in der Kunst zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Ich habe einen sehr ähnlichen Ansatz, strebe in meinen Projekten auch eine Inklusion aller gesellschaftlichen Gruppen und Schichten an. So gesehen liegt die inhaltliche Überschneidung auf der Hand.
Was das Faktische betrifft, hat sich jetzt kurzfristig die Option ergeben, den Mietvertrag von einer Künstlerin zu übernehmen, die sich die Räumlichkeiten bis dato mit dem Theater Delphin geteilt hat. Das Theater Delphin und die TheaterArche werden somit ab Juli die Räumlichkeiten jeweils 15 Tage im Monat zum Proben, aber auch für Aufführungen nutzen.
Der Theaterraum selbst ist nur für kleinere, intime Projekte geeignet. Mittelfristig wird die TheaterArche also sicher größere Räume brauchen. Im Moment sind wir aber sehr glücklich über die Option, die sich ergeben hat, einen eigenen Arbeitsraum zu haben.
Weitere Informationen: www.theaterarche.at bzw. alle Details zur Cowdfunding-Aktion: wemakeit.com/projects/das-floss-der-medusa
Sehenswert ist auch der Trailer zum Projekt:
In den unterschiedlichsten Bereichen wird mittlerweile auf Crowdfunding zurückgegriffen. Mit der richtigen Idee kann man damit einiges erreichen. Auch das Interesse der finanziellen Unterstützer wächst, wenn das Projekt interessant genug ist.