Einen satirisch-kritischen wie anspruchsvollen Abend gilt es derzeit im Theater Experiment zu erleben: Ausgewählte Szenen aus dem beträchtlichen Schaffen Anton Kuhs hat Erwin Bail zu einer szenischen Collage mit dem Titel „Melange = Milch + Kaffee – Antons KUH-linarium“ verdichtet, die einen Einblick in das Wien der Zwischenkriegszeit vermitteln.
Der Querschnitt liefert heitere, satirische und politische Ansichten des Kaffeehausliteraten Anton Kuh (geboren 1890 in Wien, verstorben1941 in New York), der unter seinem eigenen Namen und unter dem Pseudonym Yorick zahlreiche Satiren und Prosastücke veröffentlichte, in denen er sich mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen seiner Zeit scharfsinnig und mit Weitblick auseinandersetzte.
Das instabile Fundament der jungen Republik, die nach dem Tod des letzten Kaisers und dem Ende der Monarchie erst ihren Stellenwert wiederfinden musste, der Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, der aufflammende Nationalismus, aber auch die Armut, die weite Teile der Bevölkerung beherrschte, sowie die Absurditäten des Alltags – dieser Themen nahm sich Anton Kuh in seinen Werken an. Und vieles wirkt dabei ausgesprochen zeitlos – etwa wenn sich im Zusammenhang mit der Lohnregulierung im Gastgewerbe eine Diskussion um die Notwendigkeit des Tringelds entspinnt, ein Adeliger beim öffentlichen Verrichten der Notdurft ohne Strafe davonkommt, oder es dem korrekten Fräulein vom Amt mehrfach nicht gelingen will, eine Verbindung zum gewünschten Teilnehmer herzustellen.
Eine Glanzleistung liefert das Ensemble ab: Stefanie Gmachl, Andrea Schwent, Alexander Nowotny und Regisseur Erwin Bail selbst verkörpern die unterschiedlichsten Charaktere, lassen dabei ein Kaleidoskop mit vielen Facetten erstehen und stemmen dabei beträchtliche Mengen an Dialogen bravourös. Ein spannender Abend, der dem Publikum ein gerüttelt Maß an Aufmerksamkeit abverlangt, um sich auf die Texte Anton Kuhs adäquat einzulassen, und zugleich einlädt, sich (wieder einmal) näher mit dem vielfältigen Schaffen des Kaffeehausliteraten zu befassen. Höchst sehenswert!
Gespielt wird noch bis 3. März im Theater Experiment (9., Liechtensteinstraße 132), jeweils dienstags bis samstags (Beginn: 20 Uhr).
Weitere Informationen: www.theater-experiment.com