„Misery“ im Theater Center Forum: Gefährliches Psycho-Duell in der Abgeschiedenheit

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„Misery“ im Theater Center Forum: Hermann J. Kogler als Schriftsteller Paul Sheldon, Christine Renhardt als (vermeintliche) Lebensretterin Annie Wilkes (Foto: Christoph Prückner)

Alles beginnt mit einem bedrohlichen Quietschen von Bremsen und einem ohrenbetäubenden Knall: Als der Schriftsteller Paul Sheldon wieder zu sich kommt, findet er sich, schwer verletzt im Bett liegend, in einem schäbigen, karg ausgestatten Zimmer wieder. Die ehemalige Krankenschwester Annie Wilkes hatte Sheldon nach seinem Autounfall, der sich zufälligerweise in der Nähe ihres abgeschieden gelegenen Hauses in Colorado ereignet hat, aus dem Wrack seines Fahrzeugs gerettet und zu sich nach Hause genommen. Annie, die Lebensretterin, gibt sich als Sheldons Fan Nummer eins aus. Doch als sie erfährt, dass ihre geliebte Romanheldin Misery sterben muss, da sich Sheldon anderen, renommierteren Buchprojekten widmen möchte, zwingt sie den Autor, ein neues Manuskript anzufertigen, in dem Misery weiterleben darf. Sheldon, gelähmt im Rollstuhl sitzend, muss sich fügen, da außer Annie niemand weiß, wo er sich befindet. Und Annie greift zu drastischen Mitteln…

Auf der kleinen Bühne im Theater Center Forum II hat Christoph Prückner William Goldmans Psycho-Thriller „Misery“ (Deutsch von Hagen Horst), nach Stephen Kings Roman „Sie“ (im Original: „Misery“, im Jahre 1987 erschienen, 1990 von Rob Reiner verfilmt), inszeniert: als packendes Katz- und Maus-Spiel zwischen Protagonist und Antagonist, auf Details achtend, mit spärlicher Ausstattung maximale Atmosphäre herausholend.

Christine Renhardt hat für ihre Darstellung der Annie eine ganze Klaviatur an unterschiedlichen Ausdrucksformen erarbeitet. Ungemein facettenreich und vielschichtig verkörpert sie die ehemalige Krankenschwester, die aus tristen familiären Verhältnissen stammt und in eine Fantasiewelt zwischen Misery-Romanen und Liberace-Platten flüchtet. Mit gekonnt gesetzten Nuancen in Mimik und Gestik differenziert sie zwischen dem harmlos wirkenden Fan, der seinen Schriftsteller-Star anbetet, und der grob-ungehobelten Frau, die vor roher Gewalt nicht zurückschreckt.

„Misery“ im Theater Center Forum: Bettina Soriat als Sheriff Buster (Foto: Christoph Prückner)

Ihr gegenüber agiert Hermann J. Kogler als Paul, der mit der Zeit, auf schmerzhafte Art und Weise, lernt, wie er mit Annies extremen Befindlichkeitsstörungen umzugehen hat. Höchst beachtlich stellt er einen Bestseller-Autor dar, der seinen ganzen Einfallsreichtum raffiniert zum Einsatz bringen muss, um vor Annies Augen zu bestehen. Brillant ist das Zusammenspiel von Renhardt und Kogler, die auf der kleinen Bühne eine große Dynamik in Gang setzen.

Bettina Soriats Figur bricht die Thriller-Atmosphäre ein wenig auf (was das Stück aber keineswegs untergräbt) und sorgt für humorvolle Momente: Ihre Sherriffin Buster ist eine burschikose Beamtin, die weckerlkauend das Telefon abhebt und ihrem Gesprächspartner erst einmal aufzeigt, dass sie der Sheriff ist, dabei aber auch auf ihre dreistündige Mittagspause großen Wert legt. Anders als ihre Kollegen vom FBI beginnt sie, Nachforschungen anzustellen und zieht damit Annies Argwohn auf sich…

Erwin Bail hat für Prückners Inszenierung ein stimmiges Bühnenbild geschaffen, das mit einem Bett, einem Beistelltisch und einem Ofen (der tatsächlich Rauch verströmt) ein hermetisch abgeschlossenes Milieu vermittelt. Die unterschiedlichen Lichtstimmungen (Thomas Artenjak) – schummrige Beleuchtung von oben, beklemmende Lichtkegel von außerhalb von Pauls Gefangenenzelle – verstärken diese Atmosphäre. Angereichert wurde die Produktion mit authentischen Interpretationen des US-amerikanischen Pianisten Liberace von Klavierstücken Tschaikowskys, Beethovens, Chopins und anderen.
Witziges Detail, am Rande erwähnt: Jene Schreibmaschine, die Annie Paul zur Verfügung stellt, um ein neues „Misery“-Manuskript anzufertigen, weist eine kaputte N-Taste auf. Auf dem Programmzettel wird dieser Gedanke weitergeführt – alle „N/n“s sehen aus, als wären sie nachträglich ergänzt worden.

Fazit: Ein wuchtiges Kammerspiel, packend inszeniert, mit humoristischen Untertönen, fulminant gespielt und daher absolut empfehlenswert!

„Misery“: Gespielt wird bis 23. November im Theater Center Forum (9., Porzellangasse 50), zu sehen täglich außer Sonntag und Montag, Beginn jeweils: 20 Uhr

Weitere Informationen: www.theatercenterforum.com

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