
Das Ableben von Ludvík Kavín hat eine Lücke in der Wiener Theaterlandschaft hinterlassen. Kavín (* 2. Juli 1943, in Brünn, † 25. April 2025 in Wien) war Theaterregisseur, Schauspieler, Übersetzer, Dramaturg und Unterzeichner der Charta 77. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Nika Brettschneider gründete er im Jahr 1978 das Theater Brett – Compagnie Brettschneider, dessen Leitung er bis zuletzt innehatte. Im Jahr 1984 eröffnete das Ehepaar Brettschneider/Kavín das eigene Haus Theater Brett in der Münzwardeingasse im sechsten Wiener Bezirk, das sie gemeinsam bis zu ihrem Tod im Jahr 2018 leiteten. Seit Anfang 2019 wird der Raum von der TheaterArche, einem Ensemble rund um Jakub Kavin, einem der Söhne des Paares, und Manami Okazaki bespielt.
Ludvik Kavín war ein stets politisch denkender und handelnder Mensch. 1977 war Kavín gemeinsam mit seiner Frau Nika Brettschneider (1951–2018) Teil der tschechoslowakischen Bürgerrechtsbewegung Charta 77. Im selben Jahr emigrierten sie nach Österreich. Von 1978 bis 1980 war Kavín Co-Leiter der Palach Press, einer Presseagentur tschechoslowakischer Dissidenten. 1990 wurde er Chefredakteur der Mährischen Zeitung und war anschließend von 1991 bis 1992 Intendant des Nationaltheaters in Brünn (Tschechien). Für seine herausragenden, grenzüberschreitenden und völkerverbindenden Leistungen wurde Ludvik Kavín im Jahr 2013 mit dem Centrope-Preis ausgezeichnet.
Mit der Theatermacherin und Schauspielerin Nika Brettschneider hatte Ludvík Kavín seinen Lebensmenschen gefunden. Brettschneider und Kavín leisteten gemeinsam großartige und wichtige Theaterarbeit: Im Theater Brett gelangten Stücke vorwiegend mittel- und osteuropäischer Autoren zur Aufführung – erlesene Raritäten, die das Publikum sonst kaum zu sehen bekam. Beim Mitteleuropäischen Theaterkarussell zeigten Brettschneider und Kavín zeitgenössische Positionen aus – bei der zwölften Auflage im Jahr 2016, wohl die letzte, die ich auf meinem Blog angekündigt habe – Polen, Tschechien und der Slowakei. „Dem österreichischen Publikum wird ermöglicht, die Theaterlandschaften der oben genannten Länder zu erkunden und die ästhetischen, künstlerischen sowie die thematischen Tendenzen und zeitgenössischen Entwicklungen wahrzunehmen“, schilderten Nika Brettschneider und Ludvík Kavín damals die Intention des höchst engagierten Projekts. Alle Aufführungen wurden mittels Übertitel in deutscher bzw. englischer Sprache verständlich gemacht.
Auch der künstlerischen Nachwuchsförderung wurde stets großer Raum geboten: Im Rahmen des jährlichen mehrsprachigen, internationalen Sommer-Theater-Karussells, das Brettschneider und Kavín organisierten und betreuten, zeigten junge Theaterschaffende ihr beachtliches Können.
In den letzten Jahren bis zu seinem Tod widmete Ludvík Kavín sich mit Leidenschaft dem Archiv des Theater Brett und erlernte auf zahlreichen Studienreisen die italienische Sprache. Kavín war Vater von vier Kindern und Großvater von sieben Enkelkindern. Ihm und Nika Brettschneider verdanken wir viele erstaunliche und einfallsreiche Abende, die in der hiesigen Theaterlandschaft fehlen werden.