„Das Schloss“ im Theater Delphin: Kompakt, intensiv und bildstark

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Intensives Spiel in Wohnzimmeratmosphäre: Anna Anderluh, Bernhardt Jammernegg, Barbara Schandl (Foto: Felix Kubitza/www.lichtmalerei.photo)

„Kein Platz mehr im Schloss!“ verkündet Regisseur Jakub Kavin vor Beginn der ausverkauften Vorstellung im Theater Delphin, und schon ist man mittendrin im Geschehen. Die düstere Atmosphäre im (kleinen) Zuschauerraum bereitet das Publikum auf den Abend vor und macht zugleich neugierig: 90 Minuten, ohne Pause, dauert Kavins Bearbeitung von Franz Kafkas Romanfragment „Das Schloss“, und es stehen anderthalb Stunden intensives Spiel des Ensembles der TheaterArche in Wohnzimmeratmosphäre bevor.

Johnny Mhanna und Barbara Schandl geben das Kurzzeit-Paar K. und Frieda. (Foto: Felix Kubitza/www.lichtmalerei.photo)

Kavin, im Monteuranzug und mit Stirnlampe ausgerüstet, bedient die Licht- und Tontechnik, und es ist Margareta Ferek-Petrics genial effektvoller Soundtrack, der zusätzlich angespannte Stimmung verbreitet. Ensemblemitglied Bernhardt Jammernegg durchquert auf allen Vieren kriechend den Raum und mustert die Umsitzenden. Eben noch hat die Dame am Buffet verlautbart, dass die Getränke „in die Wirtsstube“ mitgenommen werden dürfen, und tatsächlich spielt sie, Barbara Schandl, das Schankmädchen Frieda, die eine kurze, heftige Beziehung mit dem Landvermesser K. eingeht.

Kafka verfasste „Das Schloss“ im Jahre 1922, vier Jahre später wurde der unvollendete Roman von Max Brod posthum veröffentlicht. Der Autor schildert darin den Spießrutenlauf des Herrn K., der als Landvermesser in ein Dorf kommt und sich einem undurchsichtigen und absurd agierenden Machtapparat gegenübersieht. Die Beamten im Schloss (die Behörde!), allen voran der hohe Amsträger Klamm, bleiben unnahbar. Die K. zur Seite gestellten Gehilfen sollen diesen aufheitern, aber auch ihr Auftrag hat eher kontrollierende Wirkung. Die Untertanen werden durch angedrohte Sanktionen klein gehalten, und vorauseilender Gehorsam (hier fügt sich die Eingangszene von Bernhardt Jammernegg bravourös ein) ist unabdingbar.

Regisseur Jakub Kavin (Foto: Felix Kubitza/www.lichtmalerei.photo)

Kavins Bearbeitung lässt dem Publikum viel Freiraum für eigene Interpretationen. Die Herangehensweisen an die unterschiedlichen Deutungsversuche sind schier unerschöpflich, Theodor W. Adorno beispielsweise ortete in Kafkas Romanfragment eine Darstellung von Machtstrukturen totalitärer Systeme.

Natalia Fonta (Foto: Felix Kubitza/www.lichtmalerei.photo)

Mit wenigen Requisiten und einem minimalistischen Bühnenbild – einem Podest – ist Jakub Kavin eine bildstarke Inszenierung gelungen. Johnny Mhanna und Barbara Schandl geben das Kurzzeit-Paar K. und Frieda: Mhanna (aus Syrien stammend) brilliert als der Fremde, der Frieda verführt und dessentwegen man im Dorf Scherereien hätte – wie die Wirtin ihm vorwirft. Schandl (die zudem am Cello beeindruckt) ist eine herzerfrischende Frieda, ein Schankmädchen von entwaffnender Offenheit, unbekümmert, welche Konsequenzen ihr Tun haben könnte.

Anna Anderluh, Natalia Fonta und Bernhardt Jammernegg bringen sich beachtlich mannigfaltig in den Abend ein – sie (ebenso in Monteuranzügen) schlüpfen in die unterschiedlichsten Rollen und fungieren auch als Erzähler. Anderluh und Fonta spielen Olga und Amalia, die Schwestern des Boten, Letztere agiert auch als Alemannisch sprechende Wirtin, die auf den Rollstuhl angewiesen ist. Jammernegg, als übermüdeter Beamter im Bett liegend, darf hingegen in den Wiener Dialekt wechseln.

Zum Schluss ein beklemmend eindrucksvolles Bild: Das Ensemble starrt, weiße Charaktermasken aufgesetzt, ins Publikum, Theaternebel verhüllt die Szene. Sind wir etwa auch Teil des Gefüges?

Beklemmend eindrucksvolles Schlussbild (v. l.): Natalia Fonta, Anna Anderluh, Bernhardt Jammernegg, Barbara Schandl) (Foto: Felix Kubitza/www.lichtmalerei.photo)

Die letzte Vorstellung in der aktuellen Spielserie findet heute (14. Oktober, 20 Uhr) im Theater Delphin (2., Blumauergasse 24) statt, die nächsten Termine stehen aber schon fest: 9., 10. und 16. Jänner 2018!
Karten können ab sofort unter office@theaterarche.at reserviert werden.

Weitere Informationen: www.theaterarche.at