„Wer sich in Familie begibt, kommt darin um“: Dieses Zitat Heimito von Doderers (1896 bis 1966) umreißt die Ausgangslage des Kammerspiels „Der Scheiterhaufen“ („Der Pelikan“) von August Strindberg (1849 bis 1912), das derzeit in einer Inszenierung von Erich Martin Wolf im Theater Experiment zu sehen ist.
Die Kinder sind die Leidtragenden im Stück: Die frisch vermählte Gerda und ihr Bruder, der Jus-Student Fredrik, werden von der Mutter drangsaliert, die ihnen von klein auf Nahrung und Geborgenheit vorenthalten hat. Auch wird im Haus nicht geheizt – vorgeblich, um Geld zu sparen.
Die Mutter ist seit Kurzem Witwe und hat eine obsessive Beziehung zu ihrem Schwiegersohn Axel, einem Leutnant der Reserve, aufgebaut. Die Kälte, die im Haus herrscht, offenbart sich auch im Verhältnis zwischen Mutter und Kindern.
Durch Zufall entdeckt der Sohn einen Brief des verstorbenen Vaters, der die familiären Verhältnisse in neuem Licht erscheinen lässt – Fredrik und Gerda rechnen mit der lieblosen Mutter ab, die Situation eskaliert, und es kommt zur Katastrophe.
Packende Konfrontation, präzise Figurenführung
Erich Martin Wolf hat das Kammerspiel „Der Scheiterhaufen“ eindringlich und vielschichtig für das Theater Experiment inszeniert. Strindbergs Stück ist nicht als Thriller angelegt, aber jeder Moment der Inszenierung birgt eine packende Konfrontation mit den Zuspitzungen des Dramas in sich.
Sehr präzise hat Wolf die Charaktereigenschaften der Figuren herausgearbeitet und zeigt eine Familie, in der sich die junge Generation, die in ein von der Außenwelt abgekapseltes Dasein geflohen ist, gegen die erlittenen Torturen zur Wehr setzt.
Eine höchst beeindruckende Leistung liefert das Ensemble ab: Dagmar Truxa spielt eine selbstgerechte und unbarmherzige Mutter, die in die eigene Tasche wirtschaftet und ihr Lügenkonstrukt bis zuletzt aufrecht erhalten will, auch dann noch, als sich das Blatt bereits gewendet hat.
Ebenso beachtlich agieren Beate Gramer und Tobias Reinthaller als Geschwisterpaar, das in der Not zueinander findet – Gramer als junge Ehefrau Gerda, die mit Unterstützung des Bruders schließlich gegen das Elend aufbegehrt, Reinthaller als verzweifelter Fredrik, der dem Alkohol verfallen ist, der Gerechtigkeit aber unbedingt zum Sieg verhelfen will.
Christian Schiesser gibt sehr überzeugend einen eiskalt berechnenden Schwiegersohn, der vor seelischen Grausamkeiten nicht zurück schreckt. Gertraud Frey als widerspenstige Dienstbotin Margret gibt schon am Beginn des Stückes dessen Richtung vor, als sie es wagt, der Dame des Hauses ihre Meinung zu sagen.
Erwin Bails erfindungsreiches Bühnenbild spiegelt mit düsterem Anstrich die Enge des Hauses wider, aus der es kein Entrinnen gibt. Monika Jungwirths Video-Installation schafft eine schaurig-beklemmende Atmosphäre. Ein fesselndes Stück bis zum Schluss!
Gespielt wird bis 2. April im Theater Experiment (9., Liechtensteinstraße 132), dienstags bis samstags, Beginn ist jeweils um 20 Uhr. Eine Zusatzvorstellung findet am Montag, den 21. März, statt.
Weitere Informationen: www.theater-experiment.com
Sehr packend beschrieben; man taucht beim Lesen dieser Rezension bereits in die Tragödie mitten hinein und möchte unbedingt seine Wissbegierde befriedigt haben – SEHEN!