„Open House Theatre“ in der TheaterArche: Patriarchale Ränkespiele im Herzogtum

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„The Duchess of Malfi“: Tess Hermann, Anne Marie Sheridan, Cesár Sampson (Foto: Karin Svadlenak-Gomez/ViennaCultgram)
„The Duchess of Malfi“: Tess Hermann, Anne Marie Sheridan, Cesár Sampson (Foto: Karin Svadlenak-Gomez/ViennaCultgram)

Wer in die Welt eines Meisterwerks aus der Feder eines Zeitgenossen von William Shakespeare eintauchen möchte, hat dieser Tage die beste Möglichkeit dazu: Das Ensemble des „Open House Theatre“ hat in der TheaterArche eine kurzzeitige Bleibe gefunden und die dortige Bühne in alle notwendigen Schauplätze für seine Produktion von John Websters „The Duchess of Malfi“ verwandelt.

Das Stück aus der jakobinischen Ära der englischen Theaterliteratur (um 1613/1614 uraufgeführt) zeichnet den unheilvollen Lebensweg der jungverwitweten Herzogin von Malfi nach (angelehnt an die historische Figur der Johanna von Aragon), die nach einer unstandesgemäßen Heirat und den Ränkespielen ihrer Brüder den Tod findet. Im signifikanten Bühnenbild (von Co-Regisseur Owen Lindsay), das in einem kräftigen Rotton den Grundtenor des düster-blutigen Stücks vorwegnimmt, agieren insgesamt 19 Mitwirkende rund um ein großes Ledersofa. Ein Teil des Ensembles entspringt übrigens einer Kooperation des „Open House Theatre“ mit der BSA, der Bilingualen Schauspielakademie.

Der dreieinhalb Stunden (mit Pause) währende Abend weist keinerlei Längen auf und hält das Publikum bei der Stange, wobei Personen mit nicht-englischer Muttersprache einigermaßen gefordert sein könnten. Dem Regie-Duo (Owen Lindsay und Robert G. Neumayr) gelingt es auf großartige Weise, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten und die Relevanz dieses rund 400 Jahre alten Stückes in die heutige Zeit zu transportieren. Die Inszenierung ist sehr detailverliebt (im besten Sinne des Wortes) und wirkt wie aus einem Guss. Das Licht-Design (Paul Sloan) wurde passend auf das Bühnenbild abgestimmt, moderner Schick kommt bei den Kostümen (Maria Krebs) zum Tragen. Zeitgenössische Elemente wurden ebenso hineinverwoben, indem etwa Statusmeldungen aus Social-Media-Netzwerken die Handlung kommentieren.

Vielschichtige Charaktere

„The Duchess of Malfi“: Owen Lindsay, Jacob Liss (Foto: Karin Svadlenak-Gomez/ViennaCultgram)
„The Duchess of Malfi“: Owen Lindsay, Jacob Liss (Foto: Karin Svadlenak-Gomez/ViennaCultgram)

Das Figurenpersonal wartet mit zahlreichen, sehr vielschichtigen Charakteren auf. Die Herzogin, gespielt von Tess Hermann, sieht sich einem Komplott ihrer Brüder gegenüber, die eine neuerliche Heirat der jungen Witwe – nicht zuletzt aus der Befürchtung, ihr Erbe zu verlieren – unbedingt verhindern wollen. Die nicht standesgemäße Verbindung der Adeligen mit ihrem Haushofmeister Antonio, verkörpert von Cesár Sampson, ruft die auf Rache sinnenden Brüder – Peter Steele als Ferdinand, Randall Galera als Kardinal – auf den Plan.

Tess Hermann als kraftvolle, selbstbestimmte Frauenfigur und Cesár Sampson als ihr gutherziger Gespons legen sehr viel glaubhafte Emotion in die Darstellung eines sich liebenden Paares, Peter Steele als ihr Gegenspieler Ferdinand (der Zwillingsbruder der Herzogin, der sich in inzestuöse Sehnsüchte zu seiner Schwester verstrickt) verleiht seiner Figur grandios infantile und diabolische Züge. Randall Galera beeindruckt als skrupelloser Kardinal. Owen Lindsay mimt einen sehr gefährlichen und kaltblütigen Bosola, der schlussendlich selbst zum Opfer der Intrigen wird. Anne Marie Sheridan verkörpert eine fürsorgliche Zofe Cariola, Jessica De Jong einen charmanten Delio, den Freund Antonios. Lisa Sigismondi überzeugt als Julia, Ehefrau von Lord Castruccio und Mätresse des Kardinals, Jacob Liss verleiht dem Letztgenannten humoristische Züge. Denisa Bozoanca darf als stimmgewaltige Silvia die adelige Festgesellschaft mit Gesangseinlagen erfreuen. Auch die anderen Mitwirkenden tragen wesentlich zum Gelingen der Inszenierung bei.

Fazit: Dem „Open House Theatre“ ist mit „The Duchess of Malfi“ eine sehr bildgewaltige, eindrucksvolle Produktion mit einer fulminanten Leistung des gesamten Ensembles gelungen. Große Empfehlung!

„The Duchess of Malfi“: Eine Produktion des „Open House Theatre“ in Kooperation mit Wide Open Vienna und BSA, zu sehen bis 16. November 2024 in der TheaterArche (6., Münzwardeingasse 2), Beginn: jeweils 19.30 Uhr.

Weitere Informationen: www.openhousetheatre.at

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