Neue Bühne Wien mit „Honig im Kopf“: Die Kraft der Liebe von Enkel zu Opa

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„Honig im Kopf“: Johannes Terne, Fanny Altenburger (Foto: Rolf Bock)

Tilda ist erst elf Jahre alt, doch dafür ist sie schon mit einer ordentlichen Portion Lebensklugheit ausgestattet. Ihr Großvater Amandus, Tierarzt im Ruhestand, hat Alzheimer in fortgeschrittenem Stadium, und das Zusammenleben mit ihm ist besonders für seinen Sohn Niko und dessen Frau Sarah eine Gratwanderung mit täglich neuen Herausforderungen. Als Tilda erfährt, dass ihr geliebter Opa in ein Pflegeheim übersiedeln soll, packt sie kurzerhand ihren Rucksack und begibt sich mit Amandus auf eine abenteuerliche Reise nach Venedig – dorthin, wo er Jahrzehnte zuvor glückliche Momente mit seiner zwischenzeitlich verstorbenen Frau verbracht hat. Tilda ist überzeugt davon, dass Amandus‘ Erinnerungen an damals sein Gedächtnis wieder stärken könnten.

„Honig im Kopf“ ist das berührende Theaterstück von Florian Battermann, das der Autor nach dem gleichnamigen Film von Til Schweiger verfasst hat. „Unser Gedächtnis ist unser Zusammenhalt, unser Grund, unser Handeln, unser Gefühl. Ohne Gedächtnis sind wir nichts“: Dieses Zitat des spanisch-mexikanischen Regisseurs Luis Buñuel stellt Sam Madwar, der das Stück für die Neue Bühne Wien eingerichtet hat, seinem Vorwort im Programmheft zur Produktion voran. Madwar ist es gelungen, ein komplexes, bedrückendes Thema mit einer Leichtfüßigkeit abzuhandeln, die es dem Publikum ermöglicht, der Handlung mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu folgen.

„Honig im Kopf“: Barbara Kaudelka, Heinz-Arthur Boltuch (Foto: Rolf Bock)

Und er hat ein wahrlich grandioses Ensemble um sich geschart: Fanny Altenburger spielt herzerfrischend das Mädchen Tilda, das seinen Opa sehr lieb hat und jedes seiner Missgeschicke, die das Familienleben auf den Kopf stellen, mit jugendlichem Humor nimmt. Johannes Terne mimt diesen Großvater, der zunehmend in seiner eigenen Welt lebt, als liebenswerten Senior, der mit durchaus festem Willen und trockenem Humor gesegnet wurde und seiner kleinen „Principessa“ ebenso von Herzen zugetan ist.

Ihnen gegenüber steht die mittlere Generation, verkörpert von Barbara Kaudelka und Heinz-Arthur Boltuch, die in der Rushhour ihres Lebens steht: Kaudelka agiert als Sarah am Rande des Nervenzusammenbruchs, immerhin gelingt es Amandus, das für ihren Job relevante Gartenfest seiner Schwiegertochter in völligem Chaos enden zu lassen, und statt eines Kuchens Sarahs Stöckelschuhe im Ofen zu backen und dabei fast die Küche abzufackeln. Boltuch verkörpert Amandus‘ Sohn Niko und stellt dessen innere Zerrissenheit – keinesfalls möchte er den Vater „abschieben“, ihm aber dennoch professionelle Zuwendung angedeihen lassen – absolut glaubhaft dar. An seiner Figur lässt sich ablesen, wie schwierig der Erkenntnisprozess ist, wenn es darum geht, zu begreifen, dass die Eltern nicht mehr so tatkräftig und autark sind, wie sie es in den Jahrzehnten zuvor waren.

Natascha Shalaby  und Gerhard Karzel vervollständigen das Ensemble auf facettenreiche Weise: Shalaby mimt unter anderem Sarahs resolute Mutter Vivien, Tildas verständnsivolle Kinderärztin oder eine gastfreundliche Mutter Oberin. Karzel agiert als beherrschter Pfarrer, als wohlgesinnter „Fluchtgehilfe“ Erdal oder – mit einer gehörigen Portion Klamauk gewürzt – als venezianischer Rezeptionist.

Martin Gesslbauer hat für Madwars Inszenierung ein multifunktionales Bühnenbild geschaffen, mit verschiebbaren Wänden entstehen unterschiedlichste Örtlichkeiten, vom Wohnzimmer über ein Zugabteil bis hin zur Hotellobby. Andreas Ivancsics hat hierfür großartige Projektionen kreiert, die den einzelnen Szenen darüber hinaus die jeweils passende Atmosphäre verleihen.

„Honig im Kopf“ ist ein berührendes, trauriges, witziges und wichtiges Stück, das zu Herzen geht, aber auch zum Nachdenken und Reflektieren anregt. Unbedingt empfehlenswert!

„Honig im Kopf“: 23. April bis 27. April im Theater Center Forum (9., Porzellangasse 50), Beginn: jeweils 19.30 Uhr.

Weitere Informationen: www.theatercenterforum.com

Gastspiele der Neuen Bühne Wien in Nieder- und Oberösterreich, im Burgenland und in der Steiermark: Termine unter www.nbw.at

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