
Ken Ludwig ist ein Meister der Komödie, und nach „Otello darf nicht platzen“ und „Das Geheimnis der drei Tenöre“ hat sich die Neue Bühne Wien unter der Gesamtleitung von Marcus Strahl nun auch der weiblichen Version der herrlichen (in jeglicher Hinsicht) Verwechslungskomödie „Carmen darf nicht platzen“ (uraufgeführt im September 2022 im Alley Theater, Houston/Texas) angenommen. Regisseurin Monika Steiner hat mit ihrem grandiosen Ensemble und mit der für das heitere Fach notwendigen Ernsthaftigkeit eine präzise, rasante, keinen Augenblick ins Beliebige abdriftende Inszenierung erarbeitet, bei der die Pointen sitzen und das Timing passt.
Die Premiere der österreichischen Erstaufführung fand im Bruno in Brunn am Gebirge statt, im November und Dezember stehen Termine in Wien und den anderen Bundesländern auf dem Spielplan, die man sich unbedingt vormerken sollte. Das Stück selbst begeistert durch starke Frauencharaktere, die Monika Steiner mit ihren Schauspielerinnen überzeugend gezeichnet hat, durch eine Handlung, die Verwechslungen und Missverständnisse am laufenden Band produziert, und durch den Humor, der auch in der deutschen Übersetzung (Michael Raab) bestens funktioniert.

Der Plot ist wie bei den beiden oben genannten Stücken in der Opernwelt angesiedelt: In der Cleveland Opera des Jahres 1954 soll ein absolutes Highlight stattfinden – das Gastspiel der weltberühmten Sopranistin Elena Firenzi als Carmen. Doch es kommt, wie es bei Ken Ludwig kommen muss: „La stupenda“ kommt zu spät am Spielort an, nimmt nach einem heftigen Streit mit ihrem Ehemann eine hohe Dosis Schlaftabletten, versinkt in einer Ohnmacht und wird von den anderen Beteiligten für tot gehalten. Nun liegt es an der jungen Assistentin Jo, die selbst sehr talentiert ist und Gesangsunterricht nimmt, den Abend zu retten – immerhin steht der Ruf des Hauses auf dem Spiel, und tausende Eintrittskarten wurden verkauft. Doch dann erwacht die Diva aus ihrem Tiefschlaf, und das Chaos ist perfekt!
Bühnenbildner Martin Gesslbauer hat die gediegen anmutende Suite mit vielen Türen und Vorhängen ausgestattet, die im Lauf des Stücks unzählige Male auf- und zugeschlagen bzw. auf- und zugezogen werden. Eine angedeutete Wand trennt das Zimmer in zwei Hälften, in denen die Charaktere oft gleichzeitig und quasi unsichtbar für einander ihre Tätigkeit verrichten. Petra Teufelsbauer hat das Ensemble in schicke Kostüme im Stil der 50er-Jahre gewandet (Maske: Coco Schober/Andreas Moravec), Christine Zauchinger hat wunderbare Carmen-Roben angefertigt.

Solcherart ausgestattet erobern die acht Miminnen und Mimen die Bühne, dass es ein wahres Vergnügen ist. Das Zusammenspiel aller Mitwirkenden funktioniert grandios: Allen voran Leila Strahl und Anna Sophie Krenn, die als Elena bzw. Jo, Assistentin der Opernintendantin, gemeinsam, aber auch jede für sich mit unglaublicher Verve ihre Rollen verkörpern. Großartig muten die Szenen an, in denen die Diva – ganz solidarisch – der Nachwuchssängerin einen Crash-Kurs in Sachen Artikulation gibt. Ebenso grandios agiert Anna Sophie Krenn, die als zaghafte Assistentin über sich hinauswächst, als sie ihre Chance, kurzfristig zum Bühnenstar zu mutieren, erhält. Glaubhaft wird derartig vermittelt, wie viel Herzblut und Handwerk in einer Rollengestaltung stecken. Anita Kolbert glänzt als Opernintendantin Mrs. Wylie, die knapp, aber souverän am Nervenzusammenbruch vorbeischlingert, schließlich steht für sie karrieretechnisch alles auf dem Spiel. Doris Richter-Bieber zieht als aufdringliche Vorsitzende des Fördervereins der Oper alle Register, ihre Julia kann es nicht erwarten, der berühmten Sängerin endlich zu begegnen. Kira Koppandi mimt hinreißend die engagierte Hotelpagin Beverly, die ihren Fangirl-Moment voll auskostet. Leopold Dallinger spielt grandios den nervösen, liebesgeplagten Sohn der Opernintendantin, Jerry, ebenso bravourös Alfons Noventa mit energischem Temperament den eifersüchtigen Diven-Ehemann Pasquale und – last, but not least – Géza Terner den stolzen Tenor Leo, dem es nicht an Selbstbewusstsein mangelt.

In diesem Sinne: Diese „Carmen“ ist definitiv nicht geplatzt – unbedingte Empfehlung für diesen Theaterherbst!
„Carmen darf nicht platzen“ von Ken Ludwig: Tournee-Termine in unterschiedlichen Bundesländern, am 13. November im Haus Gustav Klimt, am 28. November im Theater am Kurpark Oberlaa und von 2. bis 31. Dezember 2025 im Theater Center Forum (Forum I), Porzellangasse 50, 1090 Wien, Beginn jeweils: 19.30 Uhr.
Weitere Informationen: www.nbw.at bzw. www.theatercenterforum.com