Es ist schon etwas ganz Besonderes, einer Vorstellung im ältesten (in seinem Originalzustand weitestgehend erhaltenen) bürgerlichen Theater dieses Landes beizuwohnen: Das Stadttheater Grein wurde im Jahre 1791 von der Greiner Bürgerschaft gegründet und feiert heuer demnach sein 225-jähriges Bestehen.
Intendant Michael Gert hat für die 53. Saison seiner Sommerspiele eine Komödie des französischen Autors Didier Caron, Jahrgang 1963, ausgewählt: „Die Auster“ („L’Huitre“, Übersetzung: Thomas Stroux), uraufgeführt im Jahre 2008 in Lyon.
Der Titel des Stücks bezieht sich auf den Protagonisten: Bernard verschließt sich seit seiner Pensionierung wie eine Auster, flüchtet sich in sein Hobby, das Radfahren, und vernachlässigt seine sozial engagierte Frau Viviane. Als Bernard im Terminkalender seiner Gattin wiederholt den Namen Olivier entdeckt, glaubt er, einen Nebenbuhler ausgemacht zu haben und stellt Viviane vor vollendete Tatsachen, sich trennen zu wollen, weil er eine Geliebte hätte.
Viviane fällt aus allen Wolken, dreht jedoch den Spieß um und präsentiert ihren Kollegen Olivier als ihren Liebhaber. Da Bernard seine Geliebte jedoch nur erfunden hat, engagiert er kurzerhand die junge Schauspielerin Cindy für diese „Rolle“. Von da an nehmen die schrägen Entwicklungen ihren Lauf, und es bedarf einiger Raffinessen von Seiten Vivianes, um ihren Gatten wieder zur Räson zu bringen.
Subtiler Humor und tiefgründige Momente
Regisseur Fritz Holy führt das Ensemble sehr präzise durch die Unwägbarkeiten der vier Charaktere und setzt auf subtilen Humor mit tiefgründigen Momenten. Michael Gert beeindruckt als distinguiert-gekränkter Bernard, dessen Eifersucht sich verselbständigt, woraufhin er alle Mühe hat, seine Ehe wieder ins Lot zu bringen. Christine Renhardt überzeugt als lebenskluge Viviane, die ihren Gatten besser kennt als dieser für möglich hält und ihn gekonnt aufs Glatteis führt.
Anna Dangel mimt eine bezaubernd-naive Cindy, die ihren Anteil daran hat, dass die beiden Eheleute wieder zur Vernunft kommen. Dangel meistert zudem bravourös zahlreiche Wortkaskaden, die Cindy – um ihre vermeintliche Weltgewandtheit ins rechte Licht zu rücken – zum Besten gibt. Andreas Roder sorgt als putzwütiger Olivier für heitere Momente: Dieser reagiert entgeistert, als Viviane ihn mit ihren Plänen überrumpelt, spielt jedoch dann seinen „Part“ als deren Liebhaber und stößt Bernard damit vor den Kopf.
Erwin Bail hat zwei separate Wohnzimmer auf einer Bühne eingerichtet, eines mit wuchtigem Bücherregal und Schminktisch, das andere mit Schreibtisch und Bücherstapeln. Großartig aufgelöst: die Szene, in der beide Männer sich simultan in getrennten Wohnungen auf demselben Sofa zur Ruhe begeben.
Eine Produktion, die gefällt und darüber hinaus auch die Möglichkeit bietet, das Greiner Stadttheater, das auch Mitglied der Europäischen Route der Historischen Theater ist, im Rahmen von Führungen genauer in Augenschein zu nehmen: Bis 26. Oktober ist das Baujuwel täglich geöffnet (Montag bis Samstag: 9 bis 12 und 14 bis 18 Uhr, Sonntag und Feiertag: 14 bis 16 Uhr), Führungen finden zu den hier angegebenen Zeiten statt. Eine kulturhistorische Besonderheit stellen die original erhaltenen Sperrsitze dar, gleichsam eine Vorform des heutigen Theaterabonnements.
„Die Auster“ steht noch bis 28. August auf dem Spielplan der Greiner Sommerspiele: Aufführungen jeweils freitags und samstags um 19 Uhr, sonntags um 17 Uhr.
Weitere Informationen: www.sommerspiele-grein.at