
Lotte, 16 Jahre alt, verlässt ihr Elternhaus und geht auf Jobsuche, da sie nun selbst ihren Lebensunterhalt verdienen muss. Das Stelleninserat eines Institutes, das sich mit der Entwicklung einer künstlichen Intelligenz befasst, hat sie neugierig gemacht. Professor Wilhelm, der Leiter, stellt sie nach einem Bewerbungsgespräch sofort ein. Lottes Aufgabe besteht darin, sich KIM zu widmen und sie durch ausführliche Gespräche mit menschlichen Verhaltensweisen vertraut zu machen. Denn KIM ist eine künstliche Intelligenz in der Gestalt einer jungen Frau, die erst lernen muss, was Meinungsaustausch und Einfühlungsvermögen bedeuten. Lotte freut sich anfänglich, in KIM eine gute Zuhörerin gefunden zu haben, doch die Situation beginnt zu kippen, als Lotte bemerkt, dass KIM das Erlernte in einem Seniorenheim anwendet, um zu den dortigen Bewohnern eine Brücke schlagen zu können. Lotte, die mittlerweile zarte Bande zu KIM geknüpft hat, begreift nun, welchen Stellenwert menschliche Gefühle haben, ganz im Gegensatz zum Algorithmus einer künstlichen Intelligenz, der nur aus Datensätzen gespeist wird.
Im Rahmen einer Wiener Erstaufführung zeigt die Freie Bühne Wieden Flo Staffelmayrs Stück „KIM“, in dem der Autor (*1971 in Straßburg) viele Facetten des brisanten Themas aufzeigt. Die Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz sind mittlerweile nahezu unerschöpflich – von Chatbots, die auf Webseiten in einen Dialog mit Usern treten können, über virtuelle Assistenten wie Siri oder Alexa oder die in der Handlung thematisierten Pflegeroboter. Michaela Ehrenstein hat das Drei-Personen-Stück mit Fokus auf die komplexe Materie inszeniert, wobei auch den Themen erste Liebe und Selbstfindung Raum geboten wird. Martin Gesslbauer hat auf der Bühne eine Art Kontrollzentrum des Professors eingerichtet, von dem das Versuchslabor, in dem Lotte und KIM aufeinander treffen, mittels mobilem Paravent getrennt ist. Solcherart spiegelt sich die nüchtern-rationale Atmosphäre perfekt wider.

Das Ensemble glänzt mit großer Spielfreude: Barbara Edinger mimt sehr berührend das junge Mädchen Lotte, das noch mit seiner Unsicherheit zu kämpfen hat, sich im Laufe der Handlung jedoch mehr und mehr seiner menschlichen Stärken gewahr wird. Katrin Fuchs verkörpert Kim, die künstliche Intelligenz in Menschenform, die wissbegierig alles wahrnimmt, was sie in Gesprächen mit Lotte lernen kann mit großer Wahrhaftigkeit: Gestik und Mimik sind zu Beginn noch an das Roboterdasein angepasst und muten im Verlauf des Stücks immer menschlicher an. Kurt Hexmann gibt sehr gekonnt einen wenig durchschaubaren, leicht unheimlich wirkenden Professor, der seinem Forschungsdrang oberste Priorität einräumt, auch zu Ungunsten von Datenschutz und persönlicher Freiheit.
Fazit: Ein vielschichtiges Thema, das Fragen aufwirft und zur Diskussion einlädt. Geeignet für alle ab 12 Jahren.
„KIM“ von Flo Staffelmayr: Gespielt wird am 27. und 29. Jänner 2025 in der Freien Bühne Wieden (4., Wiedner Hauptstraße 60b), Beginn jeweils: 19.30 Uhr.
Weitere Informationen: www.freiebuehnewieden.at