„Frost/Nixon“ in der Freien Bühne Wieden: Im Spannungsfeld zwischen Medien, Macht und Politik

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„Frost/Nixon“ in der Freien Bühne Wieden (v. l.): Alfons Noventa, Johannes Terne, Boris Popovic, Klaus Haberl, Anna Sophie Krenn

Ein spannend verpacktes Stück Zeitgeschichte steht derzeit auf dem Spielplan der Freien Bühne Wieden: „Frost/Nixon“ aus der Feder des britischen Drehbuchautors Peter Morgan, Jahrgang 1963, beleuchtet die Hintergründe und das Zustandekommen jenes legendären Interviews, das der englische TV-Journalist David Frost im Jahre 1977 mit dem ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon geführt hat. Nixon war drei Jahre zuvor wegen der Watergate-Affäre (im Washingtoner Watergate Office Building, in dem sich zu jener Zeit das Hauptquartier der Demokratischen Partei befand, wurden fünf Männer bei einem Einbruch im Juni 1972 verhaftet) zurückgetreten, während schon ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn lief.

Autor Morgan verkettet den Handlungsstrang in „Frost/Nixon“ durch den Einsatz von Charakteren, die damals real in das Geschehen involviert waren. Bis auf eine einzige Ausnahme (der fiktiven Figur von Frosts späterer Gefährtin, Caroline Cushing) lässt Morgan durchwegs historische Persönlichkeiten (deren Lebensläufe im Programmheft nachgelesen werden können) auftreten, die die Ereignisse umso lebendiger veranschaulichen. Dramaturgisch bemerkenswert ist die Rolle des liberalen Intellektuellen Jim Reston, der einerseits als Mitglied von Frosts Recherche-Team fungiert, andererseits das Publikum als Erzähler, auch seiner eigenen Sichtweise, durch das Geschehen führt.

„Frost/Nixon“ in der Freien Bühne Wieden (v. l.): Andreas Roder, Oliver Leidenfrost, Klaus Haberl

Penibel entflechtet Peter Morgan den Entwicklungsprozess des Interviews: Nixon, der sich vorgeblich eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung erhofft hatte, ließ sich mit einem Betrag in der Höhe von 600.000 Dollar ködern, der von Journalist Frost durch die Akquisition von Werbeeinschaltungen erst einmal aufgestellt werden musste. Während der einzelnen Interview-Passagen erschließt sich dem Publikum sodann, wie der damals 38-Jährige Fernsehmoderator dem um 26 Jahre älteren Ex-Politiker soweit zusetzte, dass sich dieser ein Schuldeingeständnis abrang.

„Frost/Nixon“ wirft viele, auch abseits von Watergate, spannende Fragen auf: Welche Relevanz ist redaktioneller Berichterstattung zuzumessen, die maßgeblich mit „Scheckbuch-Journalismus“ gleichzusetzen ist? Wo hört Journalismus auf, Journalismus zu sein, und wo beginnt Showbusiness? Und welche Rolle – ob aufklärerisch wirkend oder destruktiv handelnd – wird Medien überhaupt bei der Berichterstattung über brisante Sachverhalte in einem politischen Kontext zugestanden?

Als österreichische Erstaufführung hat Gerhard Dorfer „Frost/Nixon“ für die Freie Bühne Wieden, in der Übersetzung von Michael Raab, präzise und packend inszeniert. Im praktikablen Bühnenbild von Martin Gesslbauer versetzen Filmzuspielungen (Dominik Spritzendorfer) und Projektionen (Anke Zisak/Stefanie Gutmann) die Zuschauer an den jeweiligen Ort des Geschehens, Barbara Langbein hat dazu adäquate Kostüme im 70er-Jahre Stil kreiert.

„Frost/Nixon“ in der Freien Bühne Wieden (v. l.): Oliver Hebeler, Johannes Terne

Die Darstellerriege leistet Beachtliches, allen voran brillieren Johannes Terne und Boris Popovic, Ersterer als sich zunächst noch in Sicherheit wiegender Ex-Präsident, der sich beim Interview jovial und siegessicher in Allgemeinplätze flüchtet, bevor er vom wesentlich jüngeren Fragesteller immer weiter in die Enge getrieben wird. Zweitgenannter überzeugt als selbstbewusster, eloquenter TV-Moderator, der den Spagat zwischen Journalist und Showmaster-Dasein schaffen soll, sich aber relativ beratungsresistent seinem erfahrenen Recherche-Team gegenüber zeigt; der aber auch unter Zugzwang steht, die notwendigen Geldmittel für das Interview aufzustellen, bevor die TV-Konkurrenz das Thema an sich reißt.

Als Beraterstab beeindrucken auf der einen Seite Alfons Noventa als umsichtig-besonnener Stabschef Jack Brennan, auf der anderen Seite Klaus Haberl als bewährter TV-Politikexperte John Birt und Andreas Roder als versierter Reporter Bob Zelnick aus Washington. Oliver Leidenfrost mimt grandios den Erzähler und Intellektuellen Jim Reston und sorgt dabei auch für heitere Momente im Spiel, wenn dieser seine erste Begegnung mit Nixon schildert, die er sich zuvor gänzlich anders vorgestellt hat. Großartig auch Oliver Hebeler als findiger Hollywood-Agent und Hygiene-Freak „Swifty“ Lazar, der den Deal finanziell einfädelt. Anna Sophie Krenn agiert charmant als Caroline Cushing, Stefanie Gutmann (die auch für Licht und Ton verantwortlich zeichnet) komplettiert das Ensemble als Flugbegleiterin.

Fazit: „Frost/Nixon“ überzeugt mit packendem zeitgeschichtlichen Inhalt als vielschichtiges Stück, das zum Nachdenken und Reflektieren einlädt. Spannend inzeniert und hervorragend gespielt, sollte man diese Produktion in der Freien Bühen Wieden keinesfalls versäumen!

„Frost/Nixon“: Gespielt wird noch bis 9. November in der Freien Bühne Wieden (4., Wiedner Hauptstraße 60b), Beginn: jeweils 19.30 Uhr.

Weitere Informationen: www.freiebuehnewieden.at

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