„Guards at the Taj“ im Theater Drachengasse: Zwischen Schönheit, Moral und Pflichtgefühl

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Vienna Theatre Project mit „Guards at the Taj“ im Theater Drachengasse: John Afzal und Diljohn Singh (Foto: Ine Gundersveen & Thomas Schluet)

Zwei junge Wächter stehen stramm, jeder mit einem Säbel in der Hand, und bewachen das Taj Mahal, das soeben fertig gestellt wurde. Nach 16 Jahren Bauzeit ist es schließlich soweit – gemäß einer kaiserlichen Erlaubnis (Autor Rajiv Joseph siedelt sein Stück „Guards at the Taj“ im Jahr 1648 an) darf der Prachtbau endlich in Augenschein genommen werden. Doch Babur und Humayun, die beiden Wachmänner, müssen dem Baujuwel den Rücken zukehren und dürfen sich bei Androhung einer Strafe nicht umdrehen.

Die Ausgangssituation seines Stücks „Guards at the Taj“ nutzt Autor Rajiv Joseph, geboren 1974 in Cleveland/Ohio/USA, für einen skurrilen und sehr witzigen Dialog zwischen den beiden Charakteren, die sich im Verlauf der Handlung über philosphisch anmutende Grundfragen austauschen: Was ist Schönheit, und wie hoch darf ihr Preis sein? Was bedeutet Freundschaft, und wo sind ihre Grenzen? Wie weit darf Pflichtgefühl gehen, und ab wann gilt es, Gehorsam zu hinterfragen?

David Wurawa und Joanna Godwin-Seidl erzielen in ihrer Inszenierung als Produktion des Vienna Theatre Project auf der kleinen Bühne der Bar & Co. im Theater Drachengasse große Wirkung. Die Sound-Effekte (Dave Moskin), vom Zirpen der Grillen über Vogelgezwitscher, tauchen das Spiel in eine packende Atmosphäre. John Afzal und Diljohn Singh verkörpern die beiden gegensätzlichen Palastwachen auf grandiose Weise: Afzal hat als unbekümmerter Babur den Schalk im Nacken sitzen, während Singh dem pflichtbewussten Humayun ein gerüttelt Maß an Strenge verleiht. Obwohl die Handlung im 17. Jahrhundert verortet wird, wirkt die Sprache zeitgemäß und greifbar.

Die Bühne, die lediglich mit zwei Holzboxen bestückt wurde, hat Laura Mitchell (die auch die Kostüme beigesteuert hat) mit effektvollen Pinselstrichen ausgemalt, unterschiedliche Lichtstimmungen (Stefan Rauchenwald) sorgen für zusätzliche Wirkung, beispielsweise, wenn im Stück die Sonne aufgeht und die Bühne in wunderschön warmes Licht getaucht wird. Die Stimmung ändert sich allerdings nach einem Szenenwechsel abrupt, und die Tonspur lässt Grausames erahnen: Babur und Humayun finden sich in einem Kerker wieder, und beide sind von der Erfüllung einer unvorstellbaren Pflicht gezeichnet. In dieser Situation loten die beiden Charaktere aus, was Freundschaft für sie bedeutet, und vor allem, was es heißt, zwischen Pflichtgefühl und moralischem Handeln hin- und hergerissen zu sein.

Das Vienna Theatre Project zeigt mit „Guards at the Taj“ einmal mehr, wie spannend gegenwartsnahes Theater mit gesellschaftlichem Anspruch sein kann.

Rajiv Joseph: „Guards at the Taj“, eine Produktion des Vienna Theatre Projects, wird noch bis 9. Mai in der Bar & Co. im Theater Drachengasse (1., Fleischmarkt 22) gespielt (Beginn: jeweils 20 Uhr).

Weitere Informationen: www.viennatheatreproject.com, Karten: www.drachengasse.at

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