Wer kennt sie nicht: Stellenangebote, in denen umfangreiche Qualifikationen, einschlägige Berufserfahrung und größtmögliche Flexibilität gefordert werden, mit einer schlussendlich bescheidenen Entlohnung für die getane Arbeit am Monatsende.
Die Dimensionen der prekären Arbeitsbedingungen für Künstler im zeitgenössischen Kulturbetrieb hat Jakub Kavin im Rahmen seines sehr komplexen Stückes ausgelotet und im Bühnenraum des Theater Bretts in Szene gesetzt.
„Wir Hungerkünstlerinnen. Wir Hungerkünstler“ lautet der Titel der zweiten Produktion der TheaterArche, einer nach Selbstdefinition unabhängigen Plattform zur Künstlervernetzung und Kunstproduktion. Kavin geht es in seinem Stück nicht um ein Mehr an Geld an sich, sondern um die Verteilungsungerechtigkeit als solche.
Grundlagen zu seinem Stück lieferten Kavin Interviews mit Künstlerinnen und Künstlern aus den unterschiedlichsten Sparten (Theater, Kabarett, Literatur, bildende Kunst, Musik), die auch auf der Webseite der TheaterArche in Videos ausschnittsweise zu sehen und im Programmheft nachzulesen sind. „Theaterspielen kann ich mir fast nicht mehr leisten“, meint da etwa die Schauspielerin Martina Poel. Von Selbstausbeutung und Existenzängsten sprechen zwei andere Kulturschaffende. Aber dennoch geht auch immer um die Lust an der künstlerischen Arbeit und das Herzblut, das in die Projekte fließt.
Kavin hat sich zudem von Werken Knut Hamsuns („Hunger“) und Franz Kafkas („Ein Hungerkünstler“) inspirieren lassen, „Kurier“-Redakteur Uwe Mauch hat Passagen aus seinem Buch „Die Armen von Wien“ beigesteuert, die er während der Aufführung auch verliest. Drei Hamsun-Figuren, verkörpert von drei verschiedenen Schauspielern, irren hungernd durch durch die Stadt, auf der Suche nach ihrer großen Liebe Ylajali. „Hungerkünstlerinnen“ und „Hungerkünstler“ thematisieren ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen. Als Frida Kahlo, Clara Schumann oder Vincent van Gogh nehmen sie an einem Vorsprechen für einen zu gründenden Sprechchor teil.
Freiwillig, unfreiwillig – oder unbezahlt?
Eine triste Situation bietet sich dem Publikum, und klar ist: Die fetten Jahre sind vorbei, sofern sie es je waren. In das Stück hineinverwoben wurde der Eklat rund um undurchsichtige Zahlungsflüsse innerhalb des Burgtheaters (da klingelt laut die Kassa aus dem Off!) sowie Erfahrungen mit dem Ringen um Fördermittel, wenn der „Bedarf an Minderheitentheater“ nun einmal nicht allzu groß ist. Beim Vorsprechen für den Chor wird auch klar, dass die Darsteller „freiwillig“, also unbezahlt, mitwirken müssen. Das Schlagwort „Bedingungsloses Grundeinkommen“ wird in den Raum gestellt.
Aus seiner persönlichen Sicht schildert auch noch Ludvik Kavin, Co-Gründer des Theater Bretts, die schwierige Anlaufphase und wie es ihm und seiner Frau Nika Brettschneider gelang, den Theaterbetrieb in der Münzwardeingasse – nach der Flucht der gesamten Familie aus der damaligen Tschechoslowakei im Jahre 1977 – zu etablieren.
Rund 30 Mitwirkende – ein international besetztes Ensemble –, mit dabei auch das „Stimmgewitter Augustin“, sorgen für einen sehr dichten, lebendigen Abend, der noch lange nachklingt. Das Stück mit seiner vielschichtigen Thematik regt auf jeden Fall zum Nachdenken und zu Diskussionen an – prekäre Arbeitsbedingungen reichen weit über den Kulturbereich hinaus.
Gespielt wird noch bis einschließlich Samstag, 29. Oktober, im Theater Brett (6., Münzwardeingasse 2), Beginn: jeweils 19.30 Uhr.
Weitere Informationen: www.theaterarche.at bzw. www.theaterbrett.at