Serapions Ensemble im Odeon: Eine Rebellion als Theater des Staunens

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Rebellion des Geistes über die Materie durch Erkenntnis: gigantisches Bühnenbild mit eindrucksvollen Projektionen (Foto: Odeon/R. Saringer)

Mit dem Prozess der Herzensbildung beschäftigt sich das Serapions Ensemble auch im zweiten Teil der Trilogie „Fidèles d’Amour“ mit dem Titel „Rebellion“. Der Geist, so die Ausgangsthese, müsse erst über das stumpfe Wesen der Materie rebellieren, sich durch Erkenntnis gleichsam aus ihren Fesseln befreien, ehe er sich entfalten könne. Wer aber nach Glück und Harmonie strebt, darf sich auch nicht im Labyrinth der eigenen Gefühle verirren – Fesselung, Loslösung, Labyrinth und Befreiung kommen daher als signifikante Motive im Stück vor.

Inspiriert wurde die Trilogie vor allem von den Erzählungen des iranischen Philosophen Schihab ad-Din Yachya Suhrawardi aus dem zwölften Jahrhundert. Aber auch Textzitate von Schiller, Rilke, Christine Lavant oder H. C. Artmann wurden in die Inszenierung (Leitung: Erwin Piplits, Mario Mattiazzo und Ivana Rauchmann) eingewoben, Rauchmann steuerte noch zusätzliche Dialogszenen bei.

Eine vorerst unerfüllte Liebesgeschichte zwischen einer jungen, erwartungsvollen Frau und einem jungen, rastlosen Mann bildet den Ansatzpunkt des Stückes: Sie wandelt durch eine laute, bedrohliche Großstadtkulisse, die sie zu erdrücken droht, er findet sich, eben noch im Freudentaumel, plötzlich in Fesseln wieder, die er erst lernen muss, abzustreifen.

Präzise Choreografien, phänomenal ausgeführt von den Mitgliedern des Serapion Ensembles (Foto: Odeon)

In seiner Spielstätte, dem Odeon in der Wiener Taborstraße, arbeitet sich das Serapions Ensemble durch die facettenreichen Szenen, die durch ihre außergewöhnliche Ästhetik beeindrucken und das Publikum durchwegs in Staunen versetzen: Eine Kugel, mondähnlich im Aussehen, wird an einem Seil von der Decke herabgelassen – träumerisch und weltentrückt mutet der Schwebeflug der hoffnungsfrohen jungen Frau (eine beinahe schon artistische Leistung!) mit der Kugel durch den Raum an.

Nicht weniger eindrucksvoll: die maßlose Gier, die unseren Planeten zu verschlingen droht, von den Ensemblemitgliedern mit überdimensionalen Gabeln und Löffeln in Händen tänzerisch dargestellt; das Labyrinth aus Kunststoff-Folie (grandiose Lichteffekte!), aus dem es scheinbar keinen Ausweg gibt; und jene Szene, in der die Mondkugel von oben herab solcherart durch den Bühnenraum geschwenkt wird, dass die Akteure darunte ihre Bewegungen ganz exakt darauf abstimmen müssen, um nicht von ihr getroffen zu werden.

Höchst präzise Choreografien (zuweilen vermitteln sie auch den Anschein von Improvisation), phänomenal ausgeführt von den Mitgliedern des Serapions Ensemble, expressive Musik-Stücke (Hans Wagner, Julio Cesar Manfugas Foster u. a.), großflächige Projektionen im Hintergrund, unterschiedlichste Kostüme aus den Beständen von Ulrike Kaufmann, ein aufwendiges Bühnenbild (Erwin Piplits, Max Kaufmann, Mirjam Salzer, Eva Grün) – unter anderem schiefe Ebenen, Fassadenteile auf Rollen und eine gigantische Maschine, die Rauch und einen Funkenregen ausstößt – ergeben ein großes zauberhaftes Ganzes. Poetisch, packend und außergewöhnlich zugleich!

Gespielt wird bis 10. Juni im Odeon (2., Taborstraße 10), von Donnerstag bis Samstag (Beginn: 20 Uhr).

Weitere Informationen: www.odeon-theater.at