„Was jetzt, Professor Higgins?“: Die Emanzipation der Eliza D.

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Spielfreudiges Ensemble, das mit großer Leidenschaft bei der Sache ist (v. l.): Jörg Stelling, Andrea Nitsche, Thomas Bauer, Stefanie Elias und Alexander Nowotny (Foto: Anja Schmidt)

„Was wäre, wenn…?“ steht als Frage über dem spannenden Stück „Was jetzt, Professor Higgins?“ von Helga Leitner, das seine Uraufführung im Festsaal der Bezirksvorstehung Wieden erlebte.

Leitners Konversationsstück setzt 25 Jahre nach dem Ende von George Bernard Shaws „Pygmalion“ an: Henry Higgins, Professor für Sprachwissenschaft, war es gelungen, die junge Eliza Doolittle, eine Blumenverkäuferin aus einfachen Verhältnissen, zu einer Dame der feinen Londoner Gesellschaft samt entsprechendem Auftreten zu verwandeln. Shaws Stück endet, als Eliza den selbstgefälligen Higgins verlässt, weil dieser sie von oben herab behandelt.

In „Was jetzt, Professor Higgins?“ ist Eliza eine gestandene Unternehmerin, die sich sich mit einem Blumengeschäft selbstständig gemacht hat, und Mutter einer Tochter namens Viktoria, die Literaturwissenschaft studiert. Eliza und Higgins sind zwar kein Paar, aber einander mittlerweile in Freundschaft zugetan – hier folgt Leitner inhaltlich Shaws Nachwort, der ein „Happy End“ zwischen den beiden kategorisch ausgeschlossen hatte.

Leitners Dialoge sind sehr geschliffen und perfekt auf die jeweiligen Charaktere zugeschnitten. Im Verlauf des Stücks – ohne zuviel zu verraten – gerät die Beziehung zwischen Mutter und Tochter ins Wanken, und auch Higgins trägt seinen Teil dazu bei, dass sich das quasifamiliäre Gefüge verformt. Die Autorin bringt zudem eine politische Komponente ins Spiel und thematisiert den Faschismus im Europa der 30er Jahre – in Form der Figur von Alfred, Viktorias Studienkollegen aus Deutschland.

Stimmige Atmosphäre mit raffinierten Spannungselementen

Regisseur Günther V. Wlach hat Leitners Stück mit dem spielfreudigen Ensemble der Theatergruppe Mimosen als szenische Lesung zur Aufführung gebracht. Jedoch kommt kaum das Gefühl auf, einer solchen Darbietung beizuwohnen – auf das Publikum wartet vielmehr eine aufwendige und bis ins kleinste Detail ausgestaltete Inszenierung.

Wlach gelingt es, eine dichte, stimmige Atmosphäre herzustellen und setzt auf wohlüberlegte Spannungselemente, wie raffinierte Lichteffekte beim Auftritt von Doolittle, Elizas Vater. Perfekt ins Bild passen dazu die der erzählten Zeit nachempfundenen Kostüme von Charlotte Leitner. Auch die Musikeinspielungen – von Bartóks drittem Klavierkonzert bis zu Werken von Britten, Hindemith und Strawinsky – tragen auf eindrucksvolle Weise zum Flair der Inszenierung bei.

Das Ensemble ist bestens aufeinander eingespielt und mit großer Leidenschaft bei der Sache: Jörg Stelling mimt sehr überzeugend einen sprachverliebten, selbstzufriedenen Higgins, der es nicht lassen kann, Eliza in ihrem Ausdruck zu korrigieren. Als ebendiese beeindruckt Andrea Nitsche: Ihre Eliza ist, allen Widrigkeiten zum Trotz, ein willensstarker Charakter, der allerdings von Tochter Viktoria gehörig herausgefordert wird. Großartig anzuhören: jene Szenen, in denen die echauffierte Eliza in ihre alte Mundart zurückfällt.

Stefanie Elias glänzt als Viktoria und changiert als diese zwischen jugendlicher Aufmüpfigkeit und dem Eingeständnis ihrer Gefühle. Alexander Nowotny gefällt als Alfred, der durch seine Herkunft politische Brisanz ins Geschehen bringt. Thomas Bauer kommt als Elizas Vater Doolittle erst im zweiten Akt zum Einsatz: Sehr gekonnt stellt er den Müllkutscher dar, der seine familiären Verwicklungen bereinigen möchte.

Alles in allem eine sehr gelungene Aufführung, der noch viele weitere Spieltermine zu wünschen sind!

Weitere Informationen: www.theatergruppe-mimosen.info