Zwischen Verschwörung und Leidenschaft: „Marlowe und die Geliebte von Lope de Vega“ in der Freien Bühne Wieden

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„Marlowe und die Geliebte von Lope de Vega“ (v. l.): Alfons Noventa (Graf von Lemos), Gerhard Rühmkorf (Lope de Vega) und Felix Kurmayer (Miguel de Cervantes) (Foto: Rolf Bock)

In seinem zweiten Buch über Christopher Marlowe, „Marlowe und die Geliebte von Lope de Vega“ (das dritte, „Marlowes Romeo und Julia in Kreta“, wird in Kürze in der Edition Roesner erscheinen), schickt Autor Gerald Szyszkowitz seinen Titelhelden auf eine abenteuerliche Reise, die ihn von Madrid nach Neapel, wieder retour und nach Venedig führt, um dann in Südtirol ein glückliches Ende zu finden.

Marlowe, so schildert es Szyszkowitz, steht in Diensten des Secret Service. Denn (und das war bereits das Thema in Szyszkowitz’ erstem Roman über den britischen Dichter, „Das falsche Gesicht oder Marlowe ist Shakespeare“) Marlowe wurde nicht in einem Wirtshaus in Deptford ermordert, sondern mit Hilfe der konspirativ agierenden Truppe außer Landes gebracht.

„Marlowe und die Geliebte von Lope de Vega“: Ein spannendes Kapitel lebendiger Theatergeschichte, aber auch ein fantasieanregendes Stück Reiseliteratur (Foto: Anja Schmidt/KULTUR-SCHATULLE)

Seinen eigenen Tod vortäuschend, verzichtete Marlowe darauf, seine Stücke unter seinem Namen zu veröffentlichen, vielmehr sollte der Londoner Theaterdirektor Shakspere diese (unter dem später geänderten Namen Shakespeare) herausbringen.

In Spanien trifft Marlowe unter seinem Decknamen Antonio de Laredo auf berühmte Schriftstellerkollegen: Er lernt Miguel de Cervantes kennen, dessen Roman „Don Quichote“ er als Erster ins Englische übersetzt. Und er macht die Bekanntschaft von Félix Lope de Vega, für dessen Geliebte – die Schauspielerin Micaela de Luján, Primadonna einer Theaterkompanie in Madrid – er sofort entflammt.

Mit großer Erzählfreude, detailgenau und in einer gegenwartsnahen Sprache schildert Szyszkowitz die einzelnen Episoden und entwirft dabei sehr plastische Charaktere. „Marlowe und die Geliebte von Lope de Vega“ ist ein spannendes Kapitel lebendiger Theatergeschichte, aber auch ein fantasieanregendes Stück Reiseliteratur, etwa wenn der Autor von den Erlebnissen auf seinen Recherchetouren durch Madrid und Venedig berichtet.

Wer sich genauer mit dem historischen Unterbau befassen möchte, kann im Anhang fundiert recherchierte Ergänzungen zu Marlowes Leben und zur Entstehung der (sogenannten) Shakespeare-Stücke nachlesen.

„Marlowe und die Geliebte von Lope de Vega“: Michaela Ehrenstein als Micaela de Luján, Johannes Terne als Marlowe (Foto: Rolf Bock)

Seine eigene Inszenierung der dramatisierten Version des Buches präsentierte Szyszkowitz im Rahmen der diesjährigen Sommerspiele auf Schloss Hunyadi in Maria Enzersdorf. Als Co-Produktion mit der Freien Bühne Wieden steht das Stück „Marlowe und die Geliebte von Lope de Vega“ ebendort von 3. bis 7. Oktober auf dem Spielplan.

Szyszkowitz hat sehr nahe an seiner Novelle, mit einem brillanten Ensemble und mit minimalistischen Mitteln inszeniert, umso größer ist die Wirkung des Textes, auf den sich das Publikum einlassen kann.

Johannes Terne verleiht seinem Marlowe tiefgründige Dimensionen – von den Avancen der schönen Schauspielerin de Luján scheint der Dichter, der oftmals zu stottern beginnt, wenn er sich bedrängt fühlt, anfangs etwas überrumpelt, um dann doch mit ihr eine Beziehung einzugehen.

Michaela Ehrenstein glänzt als Micaela de Luján, die anfangs kokett und selbstbewusst Marlowe gerne Kontra gibt. Sehr glaubhaft gelingt Ehrenstein die Darstellung einer gereiften, aufrichtige Zuneigung offenbarenden Bühnenkünstlerin.

Alfons Noventa mimt einen kühl-berechnenden, spielsüchtigen Grafen von Lemos, der später zum Vizekönig von Neapel berufen wird und Marlowes/Laredos Geheimdienstmission auf die Schliche kommt. Eva-Christina Binder imponiert als seine Gattin, die zuerst als vornehme, treusorgende Frau an seiner Seite steht, um dann zunehmend ihre eigenen Interessen in den Mittelpunkt zu stellen.

Eva-Christina Binder (Maria Christina), Alfons Noventa (Foto: Rolf Bock)

Christina Jägersberger beeindruckt als Marita Morales, eine Kellnerin, die für Marlowe schwärmt und ihn aus guten Gründen nicht aus den Augen lassen darf. Felix Kurmayer und Gerhard Rühmkorf gefallen als Dichterkollegen Cervantes und Lope de Vega, Wilhelm Seledec ist ein gewiefter Botschafter Wotton.

Béla Fischer an der Violine umrahmt das szenische Geschehen mit stimmungsvollen Klangbildern. Sehr opulent sind die prächtigen Kostüme von Barbara Langbein ausgefallen, auch die kunstvollen Frisuren der Damen passen perfekt ins Bild.

Eine Produktion, die nicht versäumt werden sollte!

Gerald Szyszkowitz: „Marlowe und die Geliebte von Lope de Vega“, Edition Roesner (2016), ISBN: 978-3-903059-11-5, 24.90 Euro, www.edition-roesner.at

Gespielt wird von 3. bis 7. Oktober in der Freien Bühne Wieden (4., Wiedner Hauptstraße 60b), Beginn: jeweils 19.30 Uhr, www.freiebuehnewieden.at

Christina Jägersberger, Johannes Terne (Foto: Rolf Bock)
Johannes Terne (l., Marlowe), Wilhelm Seledec (Botschafter Wotton) (Foto: Rolf Bock)